Historisches
Flair lockt Touristen
Unzählige Gäste besuchen jedes Jahr die Weltkulturerbestadt
Bamberg. Doch was treibt die vielen Menschen ins fränkische
Rom? Sind es etwa tolle Einkaufsmöglichkeiten oder besondere
"Events", die die Besucher nach Bamberg strömen
lassen? Nein! Es ist das romantische Flair des Altstadtensembles
mit seiner geschlossen historischen Bebauung, das so viele Gäste
nach Bamberg lockt. Freilich ist der Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges
vergleichsweise glimpflich über Bamberg hinweggebraust. Doch
schon im 19. Jahrhundert hatten sich in Bamberg Bürgerinitiativen
und Vereine gebildet, die sich vornehmlich um die Erhaltung des
Stadtbildes kümmerten. 1911 erließ der Stadtmagistrat
eine "Ortspolizeiliche Vorschrift zum Schutze des Orts- und
Landschaftsbildes", Freilich wurden in den 60er und 70er
Jahren des vorigen Jahrhunderts auch in Bamberg mehr historische
Gebäude zerstört, als durch die Bomben des Zweiten Weltkrieges.
Nicht umsonst spricht man über diese Zeit oft von der zweiten
Zerstörung Deutschlands. Dennoch blieb der Kern der Bamberger
Altstadt weitgehend unangetastet und letztendlich zahlte sich
der über Generationen in Stadtpolitik und Bevölkerung
verankerte Denkmalschutzgedanke aus, denn 1993 wurde die Bamberger
Altstadt von der UNESCO in die Weltkulturerbeliste aufgenommen
und rückte damit auch in den Fokus des internationalen Tourismus.
Kulmbach ist zwar keine Weltkulturerbestätte, doch auch die
hiesige Altstadt braucht sich wahrhaft nicht verstecken. Romantische
Gassen verbreiten ihren Charme und noch überraschend viele
Bauten zeugen vom Wiederaufbau der Stadt nach der Katastrophe
des Konraditages 1553. Da der unberechenbare Main eine Ausdehnung
Kulmbachs ins weite Maintal zunächst verhinderte, veränderte
gerade die Altstadt im Zuge des Aufblühens der Wirtschaft
nach erfolgtem Eisenbahnanschluß im Jahr 1846 ihr Gesicht
durch den Bau zahlreicher Industriebetriebe. Vor allem die gründerzeitlichen,
dem Historismus verhafteten Fabrikbauten nahmen jedoch gerne Stilelemente
der Altstadtbebauung auf und fügten sich damit relativ gut
in das Gesamtbild ein. Da der Zweite Weltkrieg auch an Kulmbach
ziemlich glimpflich vorüberging, waren es vor allem die schon
apostrophierten 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts, die
Störungen in das Kulmbacher Altstadtensemble brachten. Ich
denke nur an den Bau des Woolworth-Gebäudes, dem 1967 der
"Wittelsbacher Saalbau" weichen musste, oder an die
"Löwenschänke" und das Hotel "Krone",
an deren Stelle das 1968 eröffnete KDM steht. Doch auch in
der Gegenwart kommt es noch zu Eingriffen in das historische Stadtbild.
Hier sei als Beispiel das zwar nicht als Einzeldenkmal ausgewiesene,
dennoch aber zum Denkmalensemble "Altstadt" gehörige
Fachwerkhäuschen am Festungsberg erwähnt, das 2011 von
einer pseudotoskanischen Villa ersetzt wurde.
Handwerkerhaus beim Grünwehrer Tor
Im Februar 2014 verschwand wieder ein denkmalgeschütztes
Wohnhaus aus der Kulmbacher Altstadt. Es handelt sich um den an
der Straße gelegenen Teil des Anwesens Fischergasse 40.
Die Denkmalliste beschreibt das inzwischen verschwundene Gebäude
kurz und bündig: "Wohnhaus, Eckhaus, zweigeschossiger
Traufseitbau, Giebel mit Schopfwalm, im Kern 18. Jh., Türrahmung
bez. 1833." Zugleich wird das Areal, auf welchem das Gebäude
steht, auch als Bodendenkmal ausgewiesen. Hierzu vermerkt die
Denkmalliste: "Untertägige Siedlungsteile des Mittelalters
und der frühen Neuzeit der Mainvorstadt in Kulmbach."
In der Tat befand sich das Wohnhaus in unmittelbarer Nähe
zum Grünwehrer Tor der Kulmbacher Stadtbefestigung. Der "Denkmalpflegerisch-städtebauliche
Wertplan Grünwehr" charakterisiert den Bereich östlich
der Anwesen Fischergasse 37/38, zwischen denen sich das Tor wohl
einst befunden hat, als Warteplatz vor dem ehemaligen Grünwehrer
Tor. Gleich mehrere Gasthäuser haben sich dort früher
befunden, von denen bis heute allerdings nur der "Sandlerwirt"
überlebt hat. An Stelle der 1889 gegenüber errichteten
Sandlervilla stand früher das Gasthaus "Zum goldenen
Adler". Das auch das Wohnhaus Fischergasse 40 - wie dies
in "Kulmbach - Das städtebauliche Erbe" behauptet
wird - einst als Gasthaus diente, konnte ich bei meinen Nachforschungen
nicht bestätigt finden. Es befand sich vielmehr in den Händen
von Handwerkern oder kleinen landesherrlichen Bediensteten, wie
dem aus Wunsiedel stammenden Weißgerbermeister Georg Nicol
Krippner (1751), dem aus Küps gebürtigen Postboten Andreas
Richter (1762) oder dem Amtsboten Gassenzer. Von letzterem kaufte
1810 der Ratsherr Johann Christian Maurer das Haus. Im Rustikalkataster
von 1811 wird es als Fachwerkbau mit Vorgebäude und Stallung
unmittelbar außerhalb am "Grünwehrder Thor"
beschrieben. Dieses Fachwerkgebäude war wohl um 1730 durch
den Weißgerbermeister Conrad Zollstab aus Fischbach bei
Kronach erbaut worden. Ein Jahrhundert später errichtete
der Lebensmittelhändler Johann Weiß an Stelle dieses
Fachwerkhauses den heutigen Massivbau. Sein Name und die Jahreszahl
1833 zierte den keilförmigen Schlussstein des Türgewändes.
Und auch die Haustür selbst stammte noch aus der Bauzeit.
Hinterhaus im Kern aus dem 16. Jahrhundert
Älter als das abgerissene Haus ist das stehen gebliebene
Rückgebäude am Guthmannsgäßchen. Es erscheint
erstmals 1570, als Christoff Koch durch Bürgermeister Caspar
Ordnung damit belehnt wurde. Wahrscheinlich war es vom Vorbesitzer,
dem Seiler Moritz Kraus, neu erbaut worden, jedenfalls hatte er
es "von gemainer Stadt Culmbach zu Stadt-Erb erkhauft".
Christoph Koch war Kanzleibote gewesen; 1597 befand sich das "Heuslein
vor dem Vischergäßner thor" in den Händen
seines Sohnes Daniel Koch. 1617 erhielt der Bäcker Friedrich
Pöhlmann das Haus zu Stadtlehen. Er hatte die Verpflichtung
den vom Festungsberg herunter kommenden Graben, "weiln allda
bißweilen ein flus von wilden wasser oben vom Schloßberg
herein gehet", sauber und offen zu halten, damit niemandem
dadurch Schaden entstehe. Auch in diesem Haus wohnten Handwerker,
Soldaten und kleine Beamten, wie 1639 der Landknecht Georg Preußing,
der Metzgermeister Peter Erhard Pieger, der es 1751 von der "Constablerin"
Dorothea Carell erkauft hatte, oder seit 1785 der aus Melkendorf
stammende Metzgermeister Conrad Hübner. 1811 wird das Wohnhaus
als halb gemauert und halb aus Fachwerk errichtet beschrieben;
außerdem führt der im genannten Jahr aufgezeichnete
Rustikalkataster eigens den zugehörigen Felsenkeller auf.
Um 1880 brachte der Bäckermeister Georg Pensel die beiden
bis 1901 mit eigenen Hausnummern versehenen Wohngebäude in
seinen Besitz. Bei der Einführung der strassenweisen Hausnummerierung
1901 wurden beide Anwesen unter der Hausnummer Fischergasse 40
vereinigt. Der Wappenstein, den Hans Edelmann 1936 im Hof des
"Penselschen Hauses im Grünwehr" fotografierte,
ist heute verschwunden. Seinem Aussehen nach entstand er im 17.
Jahrhundert. Edelmann vermutet in den "alten festen Mauern
im Hof" des Anwesens Reste der Stadtbefestigung im Grünwehr;
tatsächlich überliefert das Kulmbacher Stadtlehenbuch
von 1597, dass das Haus am "Grünwehrder Thor" auf
der Stadtmauer erbaut worden sei.
Abschließend gilt es noch die Frage zu beantworten, was
ein in der Denkmalliste enthaltenes Einzeldenkmal zu einem Abbruchhaus
werden ließ. Dr. Ulrich Kahle, der zuständige Gebietsreferent
des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, gibt folgende
Antwort auf dieselbe. Bei einer Begehung des Gebäudes war
Anfang 2013 ein sehr schlechter Gesamtbauzustand festgestellt
worden. "Eine städtebaulich grundsätzlich wünschenswerte
Erhaltung des Gebäudes erschien sowohl mir, als auch der
letztlich die Entscheidung treffenden Unteren Denkmalschutzbehörde
der Stadt Kulmbach, wirtschaftlich nicht mehr zumutbar, ein Moment,
welches in die zu treffende Abwägung regelmäßig
einzufließen hat. Jeder Abbruch im Altstadtensemble Kulmbach
ist zu bedaueren, aber leider nicht immer zu verhindern, denn
der Staat verfügt nicht über genügend Ausgleichsmittel,
sondern muss Prioritäten setzen, denen die Fischergasse 40
eben nicht genügte." So wurde am 11. Juli 2013 nach
fast einjähriger Diskussion und Verhandlungen mit dem Bauherrn
der Teilabbruch des bestehenden Wohnhauses von der Unteren Denkmalschutzbehörde
genehmigt. Wie man hört, wird man sich demnächst an
seiner Stelle an einem Biergarten erfreuen können. |
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