Baudenkmäler in Gefahr: Menchau 23

Der herrliche Felsengarten Sanspareil dient mir - seit ich als "Reigschlaafda" in Kulmbach ansässig geworden bin - an warmen Sommerabenden oft als beliebter Ruheort. Als bevorzugte Route auf der Fahrt in den baumbeschatteten Hain, hat sich im Lauf der Zeit der Weg über Thurnau - Leesau und Großenhül herauskristallisiert. Dort wo die Straße - und parallel dazu auch die 1996 fertiggestellte A 70 - beginnt aus der Mainniederung die Hochfläche der nördlichen Frankenalb zu erklimmen, liegt in einem von bewaldeten Abhängen gebildeten Winkel das Dorf Menchau. Von Thurnau kommend führt die Straße durch einen tief in den Doggersandstein eingeschnittenen Hohlweg mit einigen noch sichtbaren Felsenkellereingängen in das Dorf hinein. Ein von der Straße abzweigender zweiter Hohlweg steht als eingetragenes Geotop sogar unter besonderem Schutz. Auch ein sagenumwobener Kreuzstein, mit einem erhaben herausgemeißelten Kreuz und einer darauf eingeritzten Pflugschar, begrüßt den von Thurnau aus kommenden Reisenden links der Straße beim Eintritt derselben in den alten Hohlweg.
Der gute Eindruck, den man durch diese Natur- und Kulturschönheiten am Ortseingang gewinnt, wird allerdings im Dorf durch die rechts der Straße stehende Ruine eines alten Hauses etwas getrübt. Es handelt sich um die Überreste eines - trotz der 2003 erteilten Abbruchgenehmigung - noch in der Denkmalliste zu findenden Wohnstallhauses. Durch die teilweise noch vorhandenen Fenster des aus Sandsteinquadern gemauerten Erdgeschosses fällt der Blick auf üppig wucherndes Buschwerk. Das Türgewände ist im Schlussstein mit den Initialen "GB" und der Jahreszahl 1799 bezeichnet. Die noch vorhandene blaugrün gestrichene Haustür ist wohl nicht viel jünger. Das Fachwerkobergeschoss - warum es nach Meinung der Denkmalliste erst im 19. Jahrhundert entstanden sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis, zumindest habe ich beim Aktenstudium keine Hinweise auf eine entsprechende Baumaßnahme finden können - wurde inzwischen abgebrochen.
Da es dieses Haus ja eigentlich gar nicht mehr gibt, ist es nicht leicht gewesen, eine Hausnummer dafür zu finden. Jedenfalls trägt heute ein anderes Anwesen die Bezeichnung Menchau 23. Ein Blick auf das im Herbst 1850 entstandene Ortsblatt zur Katasteruraufnahme zeigt jedoch, dass unsere heutige Hausruine damals mit der Hausnummer 23 bezeichnet war. Mit dieser Information in der Tasche reiste ich dann nach Bamberg um dort im Staatsarchiv etwas mehr über die Geschichte dieses einst schmucken Fachwerkhauses zu erfahren. Wie die dortigen Recherchen ergaben, war es 1811 im Besitz des Handwerksmeisters Georg Bauer gewesen. Er hatte das Anwesen 1782 vom Schuhmachermeister Gabriel Amschel für 85 fränkische Gulden und 1 Species-Taler "Tranckgeld" erworben und das Wohnhaus seitdem völlig neu erbaut. Damit wissen wir nun, welcher Name sich hinter den Initialen "GB" im Gewände der Haustür verbirgt. Georg Bauer war es gewesen, der sich 1799 hier - wahrscheinlich an Stelle eines kleinen, alten Holzhäuschens - ein neues Heim geschaffen hat. In der Besitzfassion werden die Gebäude des Anwesens kurz und bündig beschrieben: "Ein Wohnhaus, Haus-No. 23, halb gemauert, mit (der) Scheune zusammengebaut." Außer ein beim Haus befindliches "Schorgärtlein" besaß Bauer keine weiteren landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücke. Der Besitzer des Häuschens musste seinen Lebensunterhalt eben als Handwerker verdienen.
Das Anwesen war 1811 der Gerichtsbarkeit des gräflich giech'schen Justizamtes Thurnau unterworfen und wurde vom dortigen Kammeramt der Grafen von Giech als Lehen vergeben. Georg Bauer zahlte dorthin jährlich 1 Gulden und 12 Kreuzer Erbzins und lieferte von jeder Kuh im Stall 1 Maß "Herrenschmalz". Bei einem Besitzwechsel wurden 10 % des Gutswertes als Handlohn fällig. Der sogenannte "Todenfall", in Höhe von festgeschriebenen 30 Kreuzern, musste beim Tod des Lehensherrn und des Lehennehmers an das Kammeramt Thurnau entrichtet werden. Den lebendigen Zehnt von Kälbern, Lämmern, Ziegen und Gänsen erhielt das Hospitalamt in Thurnau. Doch waren solche Abgaben von Bauers Anwesen wohl sowieso nicht zu erwarten. Vielmehr als eine Ziege und ein paar Hühner wird konnte er vom Ertrag seines Gärtchens wohl nicht ernähren. Neben diesen gutsherrlichen Abgaben hatte Bauer im Jahr noch 32 ? Kreuzer landesherrliche Steuer und 5 ? Kreuzer "Service" zu bezahlen. Der Pfarrer in Berndorf erhielt von ihm jährlich 6 Kreuzer "Wölfersteuer" und der dortige Schulmeister 1 Garbe Getreide und 1 Laib Brot.1)
1854 gehörte das Anwesen Haus-Nr. 23 in Menchau dem Büttner Adam Stamm. Er hatte es am 26. August 1847 von seinem Schwiegervater Conrad Leikam übernommen. Er vermehrte die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen des Anwesens um mehrere "walzende Grundstücke". Bis 1878 umfasste sein Besitz 3,33 Hektar Acker- und Gartenfläche. Nachdem Adam Stamm 1873 im Bereich des Gras- und Wurzgärtleins am Haus einen Backofen erbaut hatte, ging das Anwesen 1878 für einen Kaufpreis von 3428 Mark an seinen Sohn, den Büttner Conrad Stamm über. Dieser baute 1880 auf dem zwanzig Jahre zuvor vom Vater erworbenen Gras- und Wurzgarten "über dem Bach in den Mainleiten" (Plan-Nr. 65) einen neuen Stadel mit Wagenschupfe, der 1910 durch den Anbau einer Göpelhalle erweitert wurde. 1920 gelangte das Anwesen schließlich in den Besitz der Familie Ramming.2)

Quellen:

1) StA. Bamberg K 236, Nr. 171a: Besitzfassionen zum Rustical-Cataster des Steuer-Districts Limmersdorf, 1811, Nr. 124.
2) StA. Bamberg K 236, Nr. 203: Grundsteuerkataster 1854, Haus-Nr. 23 in Moenchau, und K 236, Nr. 206a: Umschreibkataster der Steuergemeinde Menchau, Haus-Nr. 23.

Menchau Haus-Nr. 23 (Foto: Harald Stark, 2012)

Menchau Haus-Nr. 23 kurz vor dem Abbruch des Fachwerk-Obergeschosses (Foto: Untere Denkmalschutzbehörde)
Menchau Haus-Nr. 23 (Foto: Harald Stark, 2012)
Menchau Haus-Nr. 23 kurz vor dem Abbruch des Fachwerk-Obergeschosses (Foto: Untere Denkmalschutzbehörde)
Harald Stark
Die im Gewändeschlussstein mit der Jahreszahl 1799 und den Initialen "GB" bezeichnete Haustür des Anwesens (Foto: Harald Stark , 2012)