Ein verschollenes Flurdenkmal: Die Salzlecke aus dem Ziegelhüttener Forst bei Kulmbach

Dieser Steintrog - eine historische Salzlecke aus dem Jahr 1764 - wurde 1997 von dreisten Dieben entwendet. Foto von Hans Edelmann aus dem Jahr 1933 (Stadtarchiv Kulmbach)

In diesem Sommer jährt es sich zum fünfzehnten Mal, dass dreiste Diebe eine historische Salzlecke aus dem Ziegelhüttener Forst entwendet haben. Bis Pfingsten 1997 stand das rechteckige Sandsteinbecken rund 300 Meter westlich des Kulmbacher Flugplatzes am Wanderweg, der von den "Drei Brunnen" über den Martersberg nach Baumgarten und Lehenthal führt. Der aus einem einzigen Sandsteinblock sorgfältig zugehauene Trog war 150 Zentimeter lang, 130 Zentimeter breit und 35 Zentimeter hoch. Die Stärke der Wandung lag bei 18 Zentimetern, die Tiefe des Beckens betrug 30 Zentimeter. An der Längsseite zum Weg befand sich ein 18 x 32 Zentimeter großes, leicht erhaben ausgearbeitetes Inschriftfeld in Form eines Wappenschildes mit den Initialen F C M Z B (= Friedrich Christian Markgraf zu Brandenburg) und der Jahreszahl 1764 darunter.
Die Wälder um Kulmbach waren für die Markgrafen ein beliebtes Jagdrevier gewesen. Auch als sie schon längst in Bayreuth residierten, kamen sie doch ab und an nach Kulmbach, um hier ihrem "Lieblingssport" zu frönen. In historischen Jagdkarten, die im 18. Jahrhundert von den Kulmbacher Revieren gefertigt wurden, sind eine ganze Reihe solcher Salzlecken eingezeichnet. Heute ist noch eine einzige im Umkreis von Kulmbach bekannt, die allerdings abseits aller Wege versteckt im Wald liegt und auf diese Weise hoffentlich nicht die Begehrlichkeiten irgendwelcher Diebe auf sich ziehen wird. Über Sinn und Wesen dieser Salzlecken erfahren wir allerlei interessantes aus "Heinrich Wilhelm Döbels neueröffnete Jägerpraktik" aus dem Jahr 1786:
"Die Salzlecken sind dem Rothwildprete angenehm, sowohl zu ihrem Genuß, als auch zu ihrer Gesundheit. Es ästimiret das Wildpret die Sulzen deswegen, weil sie süsses Geäß im Frühling und Sommer haben, daß ihnen solches Salzlecken als ein veränderter Appetit ist, inmaßen man nicht gewahr wird, daß das Wildpret im Winter die Salzlecken annehme oder gebrauche." Über den Inhalt der Salzlecken, den sicherlich auch unser verschwundener Sandsteintrog enthielt, berichtet Döbel folgendes: "In diese viereckichte Kästen bringt man guten klaren Leimen (= Lehm), welcher von Steinen, Wurzeln und dergleichen gesäubert ist, schüttet einen Fuß hoch dergleichen Leimen in den Kasten, überstreuet solchen stark mit Salze und hacket oder menget solches unter einander. Als denn wird wieder Leimen darzu gethan, daß der Kasten voll werde und gleichergestalt mit Salz untermengt, fernerhin noch mehr Leimen mit stets unter einander gemengten Salze darauf gebracht, daß also ein runder hoher Haufen darauf wird. Es muß aber fein feste ineinander geschlagen, rund, oben zugespitzt und ein Reißlein (ein Nadelbaumast) hinein gestecket werden. Das feste Schlagen verhindert, daß das Wildpret solche, wie sie öfters zu thun pflegen, nicht aus einander scharren können. Einige nehmen noch allerhand andere Sachen darunter, als Eberwurzel, Fenchel, Diptam, Heringslacke und dergleichen. Alles dieses aber bedeutet nichts. Da ich der Salzlecken viel geschlagen, so habe ich weiter nichts, als, wie oben gedacht, reinen Leimen und Salz gnug darunter genommen, und bin auch gewahr worden, daß das Wildpret solche in wenig Tagen so ausgelecket hatte, daß man sie noch einmal im Sommer anfüllen müssen." Abschließend bemerkt Döbel, dass der günstigste Platz zum Aufstellen einer Salzlecke ein Wildwechsel oder eine "Sölung" (= Suhle) sei, dann gelinge es auch sicher dort manchen Hirsch zu erlegen.
Am Pfingstwochenende 1997 - es war der 18./19. Mai - konnten die Wanderer im Ziegelhüttener Forst die alte Salzlecke noch bewundern. Am 2. Juni wurde dann der Verlust des Sandsteintroges bemerkt. Wahrscheinlich war das rund 1,5 Tonnen schwere Jagddenkmal mit einem Kran oder Frontlader auf einen Kleintransporter gehievt und abtransportiert worden. Wie die Bayerische Rundschau am 24. Juni 1997 berichtete, waren bereits im Jahr zuvor Kratzspuren an der Salzlecke festgestellt worden; scheinbar war ein geplanter Diebstahl im letzten Moment gerade noch vereitelt worden. Forstamtsdirektor Peter Näher erinnerte sich damals auch, "daß ein Bewohner Kulmbachs das Objekt vor drei bis fünf Jahren unbedingt erwerben und in seinem Vorgarten aufstellen wollte, was vom Forstamt natürlich abgelehnt wurde". Trotz dieser Hinweise verliefen die Ermittlungen der Polizei ergebnislos. Bis heute ist die historische Salzlecke aus dem Ziegelhüttener Forst verschollen. Damit sie nicht ganz in Vergessenheit gerät, habe ich den alten Fall wieder ausgegraben. Glücklicherweise hat uns der Kulmbacher Heimatforscher Hans Edelmann eine Aufnahme der Salzlecke aus dem Jahr 1933 überliefert. Sollten Sie in einem Vorgarten das hier abgebildete Becken entdecken, dann denken Sie bitte an diesen Bericht und helfen mit, dass dieses seltene Jagddenkmal wieder seinen Weg in den Ziegelhüttener Forst findet.

Harald Stark